DER STANDARD, 11. Jänner 2000

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OGH stoppt Registrierung von Domain-Namen zum Zweck des Weiterverkaufs

Lösegeldforderungen für Internet-Adressen sind sittenwidrig

"Domain-Grabbing" - also die Registrierung von Internet-Adressen mit dem Ziel, sie anderen Benutzern später teuer zu verkaufen - ist laut Oberstem Gerichtshof sittenwidrig. Das Höchstgericht lenkt damit die rauen Sitten im Web in zunehmend geordnete Bahnen.

Wien - Im "Jusline"-Fall ging es darum, daß die klagende "JUSLINE GmbH" mit der Internetadresse jusline-co.at sich in ihren Rechten dadurch verletzt sah, dass ein anderes Unternehmen den Domain-Namen "jusline.com" registrieren ließ. Der Antrag auf einstweilige Verfügung war zwar abgewiesen worden (OGH 24. 2. 1998 - jusline I - ÖBl 1998, 241).

Im jüngsten Endurteil gab jedoch der Oberste Gerichtshof dem Klagebegehren auf Unterlassung der Verwendung und Einwilligung in die Löschung des Domain-Namens "jusline.com" statt (OGH 27. 4. 1999 - jusline II - ÖBl 1999, 225). Festgestellt wurde, dass der Geschäftsführer der Beklagten zum Zeitpunkt der Registrierung vom Domain-Namen der Klägerin wusste und dass die Registrierung durch die Beklagte einzig und allein dem Zweck diente, die Klägerin in ihren Geschäften zu behindern und sich eine spätere Überschreibung der Internetadresse abgelten zu lassen.

Neu am jüngsten OGH-Erkenntnis ist, dass sich das Höchstgericht nicht auf Kennzeichenschutz oder Namensrecht stützt. Vielmehr qualifiziert der OGH "Domain-Grabbing" als selbstständige, sittenwidrige Handlung im Sinne des § 1 des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG). Sittenwidriges Domain-Grabbing liegt nach Ansicht des OGH vor, wenn entweder ein Konkurrent an der Nutzung eines von ihm verwendeten Kennzeichens gehindert werden soll oder die Registrierung ausschließlich erfolgt, um "Lösegeld" für die Herausgabe zu verlangen. Auf die markenrechtliche oder namensrechtliche Schutzfähigkeit des als Domain-Adresse genutzten Zeichens kommt es somit nicht an.

In einem weiteren Erkenntnis befasste sich der OGH mit dem Namensschutz im Internet (OGH 13. 7. 1999 - sattler.at - ecolex, 1999, 703). Beklagt war die Bundesinnung der Lederwarenerzeuger, Taschner, Sattler und Riemer, die den Domain-Namen "sattler.at" registrieren ließ. Der Kläger des Namens "Sattler" begehrte Unterlassung dieser Registrierung durch die Bundesinnung, blitzte beim OGH jedoch ab.

Der OGH bejahte zwar implizit erstmals die Frage, ob durch den Gebrauch eines Internet-Domain-Namens ein fremdes Namensrecht im Sinne des § 43 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (AGBG) überhaupt verletzt werden kann. Allerdings kam der OGH zum Schluss, dass im vorliegenden Fall auch die Bundesinnung ein berechtigtes Interesse am Gebrauch der Bezeichnung "Sattler" des von ihr vertretenen Berufsstandes hat. Es standen einander somit zwei zur Verwendung des Zeichens "Sattler" berechtigte Rechtsträger gegenüber. In einem solchen Fall ist es nach dem OGH dem mit der Registrierung im Internet nachfolgenden Rechtsträger ohne weiteres zumutbar, ein der Unterscheidung dienendes Zeichen seinem Domain-Namen hinzuzufügen.

 

Streit im Tourismus

Trotz der jüngsten höchstgerichtlichen Erkenntnisse bleiben zahlreiche Fragen offen. Beispielsweise ist in der Tourismusbranche ein heftiger Streit um prominente Ortsbezeichnungen (z. B. www.wien.at) entbrannt, die sich findige Hoteliers im Internet registrieren ließen. Die lokalen Tourismusverbände, die dagegen Sturm laufen, werden möglicherweise durch ihre Mitgliedsbetriebe einen Unterlassungsanspruch durchsetzen können, weil eine solche Internetadresse zwangsläufig zu einer einseitigen Kanalisierung von Abnehmerströmen führt, die andere Anbieter im Internet erheblich benachteiligt. Dies könnte in sinngemäßer Anwendung der OGH-Judikatur zum sittenwidrigen Behinderungswettbewerb gegen § 1 UWG verstoßen. Auch eine Irreführung nach § 2 UWG wäre denkbar.

Ob die Tourismusverbände die Ortsnamen allerdings für sich registrieren lassen können, ist zweifelhaft. Auch ein Tourismusverband als privatrechtlicher Verein hat nämlich nicht ohne weiteres das Vorrecht auf den Ortsnamen als Internetadresse. Am ehesten könnte ein solches Recht wohl die Gemeinde selbst beanspruchen.
RA Dr. Felix Prändl
(Brauneis, Klauser Prändl)

E-Mail: f.praendl@bkp.at


 

© DER STANDARD, 11. Jänner 2000

Leserbrief unseres Providers:

 

-----Ursprüngliche Nachricht-----

Von: Siegfried Höfer [mailto:siegi@wwa.at]

Gesendet am: Dienstag, 11. Jänner 2000 16:16

An: 'documentation@derstandard.at'

Betreff: Zu: 'Lösegeldforderungen für Internet-Adressen sind sittenwidrig'

(20000111/WIRE/27)

Als Provider hoffe ich für unsere Kunden, dass dieses Urteil der erste

Schritt in die richtige Richtung ist. Wir hoffen, dass es regionale

Onlinezeitungen geben darf, die den Namen der Region in der Domain tragen

duerfen. Diese Namen sind wichtig, um den zukünftigen Lesern auch das

Auffinden der Onlinemedien zu ermöglichen. Nur so laesst sich vermeiden,

dass das freie Internet ploetzlich zum "behoerdlich konzessionierten

Internet" verkuemmert. Es liegen derzeit hunderte Domains in Oesterreich

ungenutzt auf Lager, weil den Eigentümern das Risiko zu hoch ist, dass sie

z.B. www.niederoesterreich.at als Onlineforum aufbauen in dem Risiko, dass

die Domain dann weggeklagt wird. Wenn hier Rechtssicherheit geschaffen wird,

folgt darauf ein Boom der regionalen und themenspezifischen

Internetzeitungen. Dies bringt Meinungsvielfalt und schafft Arbeitsplaetze

ohne Subventionen.

In der Hoffnung, dass der freie Markt sich entwickeln darf.

Hochachtungsvoll

Siegfried Hoefer

Geschaeftsfuehrer

WWA Internetdienstleistungen GmbH

Mail: Siegi@wwa.at 

 

Sehr geehrter Herr Droktor Felix Prändl !

Nachstehend mein Leserbrief zu Ihrem sehr gut formuliertem Bericht in "derStandard.at".

Es wuerde mich sehr freuen, wenn Sie mir kurz Ihre Meinung zu dem sehr vielschichtig diskutiertem Thema geben koennten. Bei "krems.at" wird z.B. der Betreiber der privaten Onlinezeitung die Arbeit der letzten Jahre praktisch kostenlos an das Stadtamt abgeben.

Domainregistrierungen wie "coca-cola.at" zum erpressen des Limonadenherstellers sind zu verbieten, dabei sind sich ALLE Provider einig!

Es wuerde mich sehr freuen, wenn Sie mir kurz Ihre Meinung zu dem sehr vielschichtig diskutiertem Thema geben koennten.

Herzlichst

Siegfried hoefer

 

Antwort des Verfassers des Berichtes:

Sehr geehrter Herr Höfer!

Die Rechtslage bei Ortsnamen ist noch nicht eindeutig  (es sei denn es handelt sich um einen Fall des Domain Grabbing). In der in meinem Beitrag zitierten "sattler.at"-Entscheidung hat der OGH durchklingen lassen, dass bei 2 oder mehr Berechtigten der Späterkommende seine Domain mit einem unterscheidungskräftigen Zusatz versehen muß. Dieser Grundsatz könnte auch auf Orts-Domainnamen umgelegt werden.

Bei Ortsnamen tritt allerdings zusätzlich das bislang ungeklärte Problem auf, wer diese überhaupt berechtigterweise als Domain verwenden darf. Aus meiner Sicht gibt es gute Pro und Kontra Argumente. Das Argument, das gegen die Verwendung zB von "krems.at" durch einen privaten Anbieter spricht, ist, daß andere private öffentliche Anbieter von dieser prominenten Domain ausgeschlossen sind, was zu einer wettbewerbsverzerrenden Kanalisierung von Abnehmerströmen führen kann. Andererseits stellt sich das Problem auch bei Allgemeinbegriffen, wie "bücher.com" oder "reisen.com". Hier kam auch noch kein Gericht zum Schluß, daß diese Begriffe freigehalten werden müssen.

Letztlich müßten die Gerichte diese Fragen entscheiden. Sollten Sie in diesem Zusammenhang weitere Fragen haben, so stehe ich Ihnen im Rahmen unserer spezialisierten Anwaltskanzlei gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Felix Prändl

Tel: +43/1/532 12 10

Fax: +43/1/532 12 10 20

E-Mail: f.praendl@bkp.at

Diskussionsbeitrag eines Betroffenen:

Grüß Sie,

Verfolge mit Interesse die Streitigkeiten bez. der (Städtenamen).at.

Da haben die Stadtväter jahrelang geschlafen und glauben nun, als Regionalfürsten, sich diese Domain-Namen jetzt, da es nach Vermarktung(=Geld) riecht, mit "öffentlichen Interessen" daherzukommen. Es ist in unserem Geschäft leider mehr und mehr so, daß, wennst eine Vision hast und sie durchziehst, mit Einstellen des Erfolges die Klagen direkt proportional wachsen. Mir ging es ähnlich vergangenen Sommer mit der Domain "...." - dort hat man mit den Passus "Verkehrsrecht" (entspricht Handelsmarke) argumentiert.

Die ganzen Rechtsstreitigkeiten stinken doch langsam zum Himmel.

Ein Beispiel aus der Immobilienwirtschaft: Herr Maier kauft sich ein Grundstück in "netter" Lage und plant, wenn er Zeit, Lust und Geld hat, sich seinen Lebenstraum - ein Geschäftslokal - zu erfüllen. In der Zwischenzeit kommt ein Grossunternehmen und beansprucht das Grundstück für sich, da Lage, Verkehrsfrequenz und zu erwartender Umsatz den Bau eines Supermarkts rechtfertigen. Laut derzeitiger Rechtssprechung in Internet-Angelegenheiten "Domainklagen" würde ...  das Grundstück einklagen können, wenngleich der Erfolg nich sicher ist. Was ist mit meinen Rechten als Eigentümer?

....hm...

-Name des Schreibers dem Verfasser bekannt

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